Strom und Chemie
Elektrischer Strom und Chemie hängen enger zusammen als man zunächst glauben würde. Ohne chemisch gespeicherte elektrische Energie in den Akkus von Smartphones, Wearables, Computern und vielen anderen Energieverbrauchern, wäre das mobile Zeitalter gänzlich undenkbar. Und auch LEDs ließen uns ohne ein sorgfältig orchestriertes Zusammenspiel physikalischer und chemischer Parameter völlig im Dunkeln.
Jenseits der temporären (und mehr oder weniger reversiblen) Umwandlung von elektrischer in chemische Energie oder in Licht bietet die Elektrosynthese auch die Möglichkeit, „Bleibendes“ zu schaffen. Der Fluss der Elektronen wird als Reagenz genutzt – letztlich werden sie bei den Reaktionen gezielt ein- oder ausgebaut. Eine solche „stofflichen Nutzung“ von Strom liefert somit Zugang zu neuen Synthesewegen in der chemischen Industrie.
Einige wenige Anwendungen dieser Art kennt die Industrie für großtechnische Prozesse – insbesondere Chlor wie auch einige Metalle werden so hergestellt oder gereinigt. Eine solche Umsetzung organischer Moleküle ist bislang auf wenige Beispiele beschränkt. Ein Grund sind die apparativen und konzeptionellen Hürden schon in der Erforschung solcher Umsetzungen. Die Reaktionen reagieren empfindlich auf die Wahl der Elektrodenoberfläche: Mischungsverhältnisse bei Legierungen, Alterungsprozesse oder temporäre „Dekoration“ der Oberfläche mit Additiven aus dem Reaktionsgemisch entscheiden über das Gelingen einer Reaktion. Viele analytische Methoden der physikalischen Elektrochemie widmen sich diesen Fragestellungen, bewegen sich zugleich aber bei Bedingungen, die für eine praktikable Synthese nennenswerter Stoffströme nicht übertragbar sind.
Förderung durch die Carl-Zeiss-Stiftung
Das von der Carl-Zeiss-Stiftung geförderte „Advanced Lab for Electrochemistry and Electroorganic Synthesis (ELYSION)“ des Instituts für Organische Chemie und des Instituts für Anorganische und Analytische Chemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) soll nun diese Hürde nehmen und den Forschern die Möglichkeit geben, schnell und unkompliziert neue elektrochemische Synthesen auszuprobieren und neuartige Elektrodensysteme zu testen. Der Fokus liegt auf einem schnellen Screening von Synthesebedingungen. Durch eine direkte massenspektrometrische Analyse der Elektrolysemischung sollen schnell und ohne große Aufarbeitung Anhaltspunkte für den Erfolg einer Umsetzung gewonnen werden. Da Geräte für die elektrochemische Synthese nicht zur Standardausstattung synthetischer Labore gehören, wird auch durch die Bereitstellung von Leihgeräten zum unkomplizierten Antesten neuer Reaktionen die Hürde gesenkt, sich mit diesem vermeintlich exotischen Verfahren auseinanderzusetzen. Zugleich werden gemeinsame Forschungsprojekte, Seminare und Symposien die Vernetzung auf diesem interdisziplinären Forschungsfeld intensivieren. Der enge Kontakt mit verschiedenen Stakeholdern aus der chemischen Industrie sichert dem Projekt zugleich die nötige „Bodenhaftung“ und wird eine Ausrichtung auf latente, zukunftsrelevante Fragestellungen sicherstellen.
Die Zusammenarbeit von organischen, anorganischen und analytischen Chemikern auf diesem Gebiet wird sowohl in der Herstellung neuer Elektrodenmaterialien, der Nutzung in neuen Umsetzung und der Auswertung wichtige Impulse setzen, welche den bisherigen polymerwissenschaftlichen Schwerpunkt am Mainzer Standort mit der Richtung Elektrokonversion weiterentwickeln wird.